Bag Of Halfpence

This entry is part 8 of 13 in the series England 2019

England 2019, Tag 7

Zum Frühstück gibt es ein „Full English Breakfast“. Es gibt schlimmere Arten den Tag zu beginnen. Aber auch bessere. Danach fahren wir 2 Minuten auf die andere Seite der kleinen Bucht bei Lymington (das, wie wir später aufgeklärt werden, Limmington ausgesprochen wird, nicht Leimington) und auf die Fähre nach Yarmouth auf der Isle of Wight. Das Ticket habe ich gestern Abend online gekauft und war mit etwas mehr als 70 Euro unerwartet teuer. Insbesondere wenn man schon mal in Skandinavien war, wo Autofähren Teil des Straßennetzes sind. Ich habe mir extra die App des Fährenbetreibers installiert und will beim Check In Häuschen mein E-Ticket vorweisen, da werde ich auch schon durch gewunken. Da steht also irgendwo ein Kennzeichenleser und hat automatisch den Leihwagen erkannt und mit dem Ticket abgeglichen. Und tatsächlich, als ich später auf der Insel in die App schaue, wird die Hinfahrt schon als „getätigt“ markiert. Da haben wir in Deutschland noch eine Menge aufzuholen.

Das Wetter ist grau mit einem sporadischen, warmen Nieselregen. Eigentlich ganz angenehm. Nur nicht so gut um Fotos zu machen. Unsere erste Station sind die Needles im Westen der Insel. Eine Reihe von Kreidekegeln, die wirklich nicht wie Nadeln aussehen, und von einem Leuchtfeuer in ähnlicher Größe abgeschlossen werden. Es gibt einen Aussichtspunkt, der Teil von einem Kindervergnügungspark ist, der ein Dinosaurier-Theme hat. Wegen des Wetters ist aber nicht viel los. Hier steht auch ein Stein, der den Standplatz einer Radiostation markiert, von der aus Marconi die ersten Funkverbindungen zu Schiffen auf See getestet hat.

An der Südküste geht es weiter nach Osten. Die Straßen sind eng und in Verbindung mit dem Linksverkehr sehr unangenehm zu fahren. Gräser, Sträucher und Bäume bilden oft eine grüne Mauer die unmittelbar neben der äußeren Fahrbahnmarkierungen senkrecht in die Höhe ragt und ebenso oft die Straße auch oben einschließt. In Linkskurven habe ich fast keine Sicht um die Ecke und kann nur hoffen, dass kein Fußgänger verrückt genug ist auf der Straße zu gehen. Ab und zu gibt es aber mal einen Fahrradfahrer. Ich frage mich, wie die auf der Insel überleben können. In Deutschland wären die Straßen von Kreuzen gesäumt.

Auch an der Südküste gibt es eine braune Variante der „White Cliffs of Dover“, nur nicht so hoch. Die Erde bricht hier in das Wasser des Ärmelkanals und wird vermutlich irgendwann die Wanderwege und später vielleicht auch die Küstenstraße mitreißen. Noch ist die Gegend hier aber sehr hübsch und grün und nur spärlich besiedelt. Die Besiedlung nimmt aber zu je weiter wir nach Osten kommen. Da ich hier den mal nicht den Navigationscomputer verwende, geraten wir in eine kleine Dorfstraße, die so schmal ist, dass ich mit den linken Reifen über den Bürgersteig fahren muss um an den parkenden Autos vorbei zu kommen. Eine eigenwillige Form der Straßenberuhigung.

Im Osten bei Bembridge gibt es ein kleines Marinemuseum. Es gibt aber keine Parkplätze. Und da ich nach der Fahrt auf den schmaeln Sträßchen keine Lust habe, hier noch dreimal um den Ort zu kurven um einen Parkplatz zu ergattern, lassen wir das Museum links liegen und fahren weiter zum Zentrum der Insel, zu Carisbrook Castle. Kurz davor gibt es noch ein Kloster mit dem gleichen Namen, das auf den ersten Blick wie eine kleine Burg aussieht (nicht unbedingt eine Qualitätsmerkmal für die Architektur des Klosters). Wir halten und trinken einen Nachmittagstee. Der Tea-Room ist wunderbar altmodisch und wird vermutlich selten von ausländischen Touristen frequentiert. Der Kuchen ist lecker und ich kann mich nach der anstengenden Fahrt wieder ein wenig entspannen.

Die Burg liegt drei Autominuten entfernt auf einem benachbarten Hügel. Ist vielleicht nicht die ganz große touristische Attraktion, aber die Burg hat durchaus Geschichte, die im Wachhaus in einem Video erklärt wird. König Charles I wurde während des Bürgerkriegs hier Gefangen gehalten um später nach London überstellt zu werden um dort hingerichtet zu werden. Eine Kopie der Todesurkunde, inklusive Unterschrift von Thomas Cromwell, wird ausgestellt. Während Peter eine Pause macht, klettere ich die ungleichmäßigen Treppenstufen zum „Keep“ hinauf, der Burg in der Burg. Oben angekommen bin ich mal wieder über die Höflichkeit der Südengländer erstaunt. Ich tretet zur Seite um eine Schulklasse von jungen Teenagern herunter zu lassen. Fast jeder von ihnen bedankt sich höflich, dass ich Platz gemacht habe. Unfassbar. Hier kann es einem auch passieren, dass sich der Gegenüber dafür bedankt, dass ich mich für irgendwas bedankt habe. Ich bin üblicherweise der, der diesen Zyklus aufbricht.

Irgenwie ist die Zeit schneller vorbei gegangen als wir gedacht haben und wir machen uns auf den Weg zur Fähre. Wir sind früher da als für die für 18:05 Uhr gebuchte Rückfahrt nötig. Beim Check In werde ich gefragt, ob ich mitfahren möchte, wieder ohne ein Ticket zu verlangen. Ich bin nicht sicher ob ich das richtig verstanden habe, warum sonst sollte ich wohl hier sein? Um Missverständnisse auszuschließen, sage ich das ich mit der Fähre um 18:05 Uhr fahren möchte. Schließlich werde ich durch gewunken. Erst als ich statt als erster in die Warteschlange für die gebuchte Verbindung, als letzer auf die noch wartende 17:05 Uhr Fähre gewunken werde, wird mir die Frage beim Check In klar. Die wollten wissen, ob ich wirklich noch eine Stunde hier herum stehen wollte oder soft fahren wollte.

Als wir schon fast wieder in Lymington sind, fallen mir die Beschriftungen der Barken auf, die die Fahrrinne markieren. Auf einer Seite steht sowas wie „Max 6 Feet Deep“ aber auf der anderen Seite ist in der gleichen Schrift eine wenig maritime Phrase abgebildet wie z.B. „Bag of Halfpence“. Was hat es wohl damit auf sich?

Danke der „gewonnen“ Stunde kann ich die Zeit vor dem Abendessen noch nutzen um endlich ein paar Adapter von den britischen Steckdosen auf die auf dem Festland üblichen Eurostecker zu kaufen. In diesem Hotel gibt es nämlich keine Steckdose, die beide Steckervarianten akzeptiert. Hier auf der Insel (der großen britischen, nicht der kleinen „Weißen“) ist eben alles anders. Auf dem Weg sehe ich noch einen Hinweis auf ein St Barb Museum, das ich mir auf dem Rückweg anschaue. Sieht interessant aus, schauen wir und vielleicht morgen früh an. Der Name erinnert mich aber sofort wieder an das Barbie Museum aus dem Film Rat Race: https://www.youtube.com/watch?v=uJMPom6-xmA (Pointe nach etwa 40 Sekunden).